Compulsive hoarder - disease or choas?

Region: überregional

Die meisten Messies sind äußerlich unauffällig und nicht vermüllt, wie in den Medien gern zur Schau gestellt wird. Es gibt viele Messies, die gar kein oder nur wenig äußeres Chaos haben! Oft stehen oder standen die Betroffenen (viele Akademiker) im beruflichen Leben in verantwortlicher Position, müssen strukturiert und organisiert arbeiten. Sie sind sehr erfolgreich und manchmal geradezu pedantisch. Viele besitzen eine akademische Ausbildung (Lehrer, Ärzte, Manager, Apotheker, Politiker, Zahnärzte, Dipl.-Ingenieure, etc.). Da gibt es u.a. eine attraktive und erfolgreiche Architektin. Sie nimmt keine Einladungen mehr an, aus Furcht, eine Gegeneinladung aussprechen zu müssen. Sie schämt sich für das Chaos in ihrer Wohnung. Seit Jahren lässt sie niemanden mehr herein, nicht einmal den Heizungsableser. Kann sie auch gar nicht, denn die Heizkörper sind mit Büchern und Klamotten zugestapelt. Kochen ist schon lange nicht mehr möglich, weil selbst die Kochplatte als Abstellfläche dient. Immer wieder rafft sie sich auf, der Unordnung zu Leibe zu rücken, kauft Schachteln, Kisten und Ordner, die nach einem ausgeklügelten System Ordnung schaffen sollen. Doch immer wieder scheitern diese Aktionen, weil sie sich völlig überfordert fühlt.

Zudem bestellen sich Messies oft unzählige Fachzeitschriften, aus Angst, nicht immer auf dem Laufenden zu sein. Jedoch fehlen nach der Arbeit Energie und Lust, in den Zeitschriften zu blättern. So stapeln sich die vielen ungelesenen Zeitschriften in der Wohnung. Manchmal sogar bis an die Decke.

Messies sind oft sehr einsame Menschen, obwohl sie das nach Außen oft nicht zeigen.

Prof. Dr. Gisela Steins untersucht an der Uni Bielefeld das Messie-Phänomen. Sie kann bei diesen Menschen zwar einen Zwang zum Horten feststellen, aber im Vergleich zu einer typischen Zwangsstörung fehlen zwei Merkmale: das charakteristische, unter allen Umständen einzuhaltende System sowie die Beschränkung auf die Art der zu hortenden Gegenstände.

Die Wurzeln liegen in der Kindheit   

Messies sind ängstlich und unsicher, es können zusätzlich Depressionen, Alkoholprobleme, Kaufsucht, Arbeitssucht oder Essstörungen auftreten. Unserer Erfahrung nach handelt es sich bei den Ursachen um Bindungsstörungen (Messies sind unsicher-vermeidend gebunden) zu denen im Laufe der Zeit Traumata (u.a. sexueller oder emotionaler Missbrauch; Überforderung; Vernachlässigung; Ungeliebtsein; nicht einfühlsame Eltern mit erzieherischer Härte; Eltern, die das Kind einschüchtern; das Gefühl, nicht angenommen zu sein; Missachtung der ICH-Grenzen).

Ein Messie hat geradezu ein perfektionistisches Ordnungsstreben. Um es umzusetzen, bräuchte er aber viel Zeit. Weil das Vorhaben also ständig misslingt, muss der Betroffene laufend Frust aushalten. Der Leidensdruck ist für diese Menschen enorm. Dr. Klaus Pingsten, Facharzt für psychotherapeutische Medizin in Detmold, sieht hinter dem Verhalten von Messies unter anderem den unerfüllten Wunsch aus der Kindheit nach Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und emotionaler Geborgenheit. Früher konnte das Sammeln von Dingen die seelische Not und Einsamkeit des Kindes verringern. Beim Erwachsenen verliert diese Verhaltensweise aber ihren Sinn und wird deshalb zur Belastung, weiß Dr. Pingsten.

Private Chaoten sind oft berufliche Pedanten

Niemanden in die Wohnung zu lassen, kann den entlasten, der sich anderen sonst nicht abgrenzen kann, dem es also schwer fällt, auch mal nein zu sagen. Zumindest in seinen vier Wänden ist der Mensch dann vor Forderungen von außen sicher. Ein Messie ist vor seinen Mitmenschen auf dem Rückzug. Gefühlsmäßig bindet er sich lieber an Dinge; sie scheinen ihm verlässlicher als Menschen. Besitz ist der Ersatz für erlittene Verluste.

Ein Messie glaubt, Schaden zu nehmen, wenn er die ungelesenen Zeitschriften oder den alten Videorekorder wegwirft. Messies heben Gegenstände auf, weil sie denken: Wer weiß, wofür ich das noch gebrauchen kann.

Erstaunlich ist, dass diese Menschen vor allem im privaten Bereich keine Ordnung herstellen oder halten können, in der sie sich wohl fühlen.

Messies benötigen Hilfe, doch wohlgemerkt keine Haushaltshilfe! „Nun räumen Sie mal auf“ – diese häufige Empfehlung (auch von manchen Therapeuten) ist unsinnig. Außerhalb der eigenen vier Wände können das die Messies, sind teilweise sogar Hauswirtschaftsmeisterinnen. Bei sich zu Hause können sie nicht aufräumen und organisieren. Verantwortlich dafür ist ein ständiges inneres Gefühlchaos und ungelöste Konflikte. Verlust- und Trennungsängste spielen ebenfalls eine große Rolle.

Was aber kann einem Messie helfen. Zunächst muss er verstehen lernen, dass sein Horten von Gegenständen nicht von vornherein abwägig ist, sondern einmal wichtige Funktionen erfüllte. Dieses Verständnis wird gebraucht, da sonst therapeutische Maßnahmen keine nachhaltige Wirkung erzielen. Selbst nach einem Erfolg durch eine „verordnete“ Aufräumaktion sammelt sich erfahrungsgemäß rasch wieder Neues an, da das Sich-Trennen von materiellen Dingen Unbehagen und Angst auslöst. Also, wer nur die Wohnung aufräumt, riskiert unweigerlich Rückfälle. Wer auch seine Seele aufräumt, kommt mit sich selber klar. Wer dem inneren und manchmal auch äusseren Chaos auf Dauer entkommen will, der kann sich Messie-Selbsthilfegruppen anschliessen. Das kann Mut machen und die Scham verringert sich. Sollte in der Nähe keine Selbsthilfegruppe vorhanden sein, so kann eine gegründet werden. Die beiden untenstehenden gemeinnützigen und mildtätigen Vereine unterstützen mit Material, einem Leitfaden für die Messie-Selbsthilfegruppenarbeit sowie u.a. die Broschüren „Das Messie-Syndrom – Plädoyer für eine Blickwendung“ und „Messie-Fachtagung in Göppingen“. In regionalen Arbeitstagungen werden Selbsthilfegruppen und einzelne Betroffene für die psychisch-soziale Bewältigung ihrer Störung weitergebildet. Bei den bundesweiten Fachtagungen, die einmal jährlich stattfinden, treffen sich Fachleute, Betroffene, Angehörige und andere Interessierte. Die nächste Fachtagung wird voraussichtlich im Januar/Februar 2004 in Hamburg stattfinden. Der Termin wird in den Websites www.femmessies.de und www.messie-syndrom.de bekanntgegeben. Für die persönliche, telefonische Beratung stehen Frau Janice Pinnow vom Melano und Frau Bönigk-Schulz vom FEM e.V. bundesweit zur Verfügung.

Der Weg aus dem inneren und teilweise äusseren Chaos ist für alle Betroffenen mühsam. Doch es lohnt sich, denn letztlich geht es nicht mehr ums Haben, sondern ums Sein.

Contact

Landesverband der Messies im norddeutschen Raum Mrs Janice Pinnow Wulfskamp 14a 21365 Adendorf

Phone: 04131 682091 Fax: 04131 606801

info@messie-syndrom.de

Förderverein zur Erforschung des Messie-Syndroms (FEM) e. V. Mrs Marianne Bönigk-Schulz Tegerstraße 15 32825 Blomberg

Phone: 05236 888795 Fax: 05236 888796

femmessies@t-online.de